Ambulanz für Post intensive Care Syndrome
Langzeitfolgen der Intensivstation und was helfen kann
Was nach dem nackten Überleben kommt
Während der Pandemie sind die Bilder von Menschen, die an Maschinen gefesselt auf den Intensivstationen um ihr Leben ringen, um die Welt gegangen. Dieser Bereich der Medizin und Pflege ist so verstärkt in unser Bewusstsein gerückt. Auch abseits von COVID geht es auf einer Intensivstation oft um Leben und Tod: Hier werden Patient*innen versorgt, die sich nach schweren Verletzungen, großen Operationen oder bei lebensbedrohlichen Erkrankungen in einem sehr kritischen Gesundheitszustand befinden. Sie bedürfen ständiger Überwachung, lebenserhaltender Maßnahmen und starker Medikamente.
Dafür sind Intensivstationen mit modernster Technologie ausgestattet und bieten eine hochqualitative Versorgung durch ein Team von Ärzt*innen, Pflegekräften und Therapeut*innen. Ihr Ziel ist es, den Organismus zu stabilisieren, Schmerzen und Komplikationen zu vermeiden und die Genesung zu ermöglichen. Dabei bietet sich dem schwerkranken Menschen meist keine große Mitbestimmungsmöglichkeit. Für Angehörige ist diese Situation häufig ebenfalls belastend. Neben der Sorge und die Angst um den geliebten Menschen erleben sie zum Teil, dass der*die Patient*in fremd wirkt, sich anders verhält, verwirrt oder sogar aggressiv ist.
Wenn alles überstanden ist, ist die Erleichterung groß und Patient*in wie Angehörige möchten rasch wieder in das alte, gewohnte Leben zurückkehren. An manchen Patient*innen geht die Zeit auf der Intensivstation jedoch nicht spurlos vorüber: Sie sind auch noch längere Zeit nach ihrer Entlassung kraftlos, haben Schmerzen, tun sich mit dem Atmen, Sprechen oder Schlucken schwer oder können sich nicht konzentrieren. Die Erkenntnis, wie nahe man dem Tod war, das Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins, das man auf der Intensivstation erlebte, und die Zeit, die man nicht bewusst wahrnehmen konnte und die irgendwie „fehlt“, kann Depressionen, Albträume, Flashbacks bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung auslösen und die völlige Genesung verzögern.
Bessern sich diese Symptome auch längere Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht, spricht man von einem „Post-Intensive-Care-Syndrome“ (PICS). Um diese Menschen zu unterstützen und ihnen den Weg in ihr neues, altes Leben zu erleichtern, wurde im Franziskus Spital in Margareten die erste PICS-Ambulanz Österreichs etabliert. An sie können sich Patient*innen wenden, die nach mehr als drei Monaten noch immer an den Folgen ihrer Intensivversorgung leiden.
Die Kontaktaufnahme mit dem PICS-Team kann unkompliziert über die Homepage erfolgen. Nach der Vorab- Sichtung der Befunde durch die Intensivmediziner*innen wird der*die Patient*in zu einem circa zweistündigen Assessment eingeladen. Dieses beinhaltet eine ausführliche körperliche Untersuchung sowie psychische und kognitive Tests. Aus diesen Ergebnissen entwickelt das Team aus Intensivmediziner*innen und Psycholog* innen individuelle Therapieansätze. Diese können dann im Franziskus Spital erfolgen oder es werden externe Spezialist*innen empfohlen.
Zu den wichtigsten und wertvollsten Aspekten dabei zählen die Zeit und die Zuwendung, die man den Patient* innen und ihren Angehörigen in der PICS-Ambulanz widmet. Denn das Team nimmt sich die Zeit, den Menschen gut zuzuhören, ihre Sorgen zu erkennen und mit ihnen Auswege oder Lösungen zu besprechen. Oft helfen den Betroffenen bereits die Erläuterungen zu den erfolgten Intensivtherapien und deren Auswirkungen auf Körper und Psyche. So können Einschränkungen besser verstanden und angenommen werden. Auch ein Besuch in einem Intensivzimmer oder das gemeinsame Durchgehen eines Intensiv-Tagebuchs hilft dann, die Zeit auf der Intensivstation nachzuvollziehen, sie „wiederzufinden“ und damit einen guten seelischen Abschluss zu ermöglichen – und dies kann dann der erste große Schritt ins „neue, alte Leben“ sein!
C. ROITHNER-KLAUS