Heimbeatmung
Belebend, im wahrsten Sinne des Wortes.
Heimbeatmung schenkt kranken Menschen eine neue Lebensqualität. Drei oberösterreichische Ordensgemeinschaften bieten dieses wegweisende Angebot für langzeitbeatmete Patient*innen im häuslichen Umfeld nun an.
Ohne Sauerstoff kein Leben. Für manche Menschen bedeutet diese selbstverständliche Aussage den Kern ihres tagtäglichen Daseins. Für jene Menschen nämlich, für die selbständiges Atmen aus verschiedenen Gründen keine Selbstverständlichkeit ist und für die 23.000 Atemzüge an jedem einzelnen Tag nicht ohne Hilfe möglich sind. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben. Muskelerkrankungen zum Beispiel. Oder ALS, amyotrophe Lateralsklerose, eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems, oder COPD, bestimmte Gendefekte oder auch eine Querschnittslähmung. Diese Menschen brauchen rund um die Uhr eine sichere Sauerstoffversorgung. Davon hängt ihr Leben ab. Die gängige Praxis dafür war lange Zeit ausschließlich die Intensivstation.
Für Christoph Grubauer allerdings kann die Beatmungspraxis für Menschen mit oben beschriebenen Krankheiten teilweise auch anders aussehen. Er hat auf dem Gebiet von langzeitbeatmeten Patient*innen wahre Pionierarbeit in Österreich geleistet. Vor rund 20 Jahren hat Christoph Grubauer seine Ausbildung zum akademisch zertifizierten Care-/Case-Manager und Intensivpfleger abgeschlossen. Zu dieser Zeit hat sich ein erster „Interessent“ gemeldet, ein junger Mann auf der Intensivstation. „Wir haben damals eine der ersten Beatmungsmaschinen eingesetzt. Die war aus Eisen und extrem schwer. Heute sind die Geräte tragbar, 2,5 kg leicht, und auch mit Akku ausgestattet.“
Beatmungsmaschinen wurden früher nur für Notfälle, in Flugzeugen oder bei Kriegseinsätzen gebraucht. Christoph Grubauer aus Freistadt setzte als erster freiberuflicher Krankenpfleger unter ärztlicher Aufsicht eine solche Beatmungsmaschine ein. Der Patient wurde zuhause beatmet und war überglücklich, in seinen eigenen vier Wänden sein Leben weiterführen zu können. Das sprach sich herum und ein halbes Jahr später hatte Grubauer bereits sechs Patient*innen. Heute arbeiten 37 freie Dienstnehmer*innen und drei Intensivmediziner*innen mit Christoph Grubauer zusammen und pflegen so circa. 70 Menschen.
„Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn die Menschen von der Intensivstation nach Hause übersiedeln. Viele dieser Patient*innen weinen vor Freude!“
Christoph Grubauer,
Geschäftsführer der „Grubauer Heimbeatmung GmbH“
Vieles wird wieder möglich: Kino, Kaffeehaus, Konzert
„Wenn jemand an 24-Stunden-Beatmung denkt, haben die meisten ein völlig falsches Bild im Kopf. Viele langzeitbeatmete Menschen können größtenteils am normalen Leben teilnehmen, gehen essen, ins Kino, feiern Geburtstage, genießen Ausflüge in die Natur.“ Wie auch Sieglinde Fesel, die bereits seit zehn Jahren seine Patientin ist. Die heute 60-Jährige hat eine genetisch bedingte progressive Muskeldystrophie und wurde eines Tages reglos von ihrem Mann aufgefunden. Es folgten Aufenthalte auf der Intensivstation in Passau und im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz, bis sie schließlich auf der Langzeitbeatmung im Carl Borromäus-Haus in Linz auf die Heimbeatmung vorbereitet wurde. „Mir wurde ein zweites Leben geschenkt! Ich treffe mich mit Freundinnen auf einen Kaffee, fahre einmal im Jahr ins Musiktheater, habe mir gerade erst vor kurzem ein Konzert bei uns in der Stiftskirche angehört und genieße seit zwei Jahren meine Enkelin! Allein, dass ich das erleben darf!“, sagt die enorm lebensfrohe und optimistische Sieglinde Fesel.
„Daheim ist daheim. Das ist ein komplett anderes Lebensgefühl!“
Sieglinde Fesel, seit zehn Jahren heimbeatmet
Was jetzt so einfach klingt, bedarf einer hoch professionellen Vorbereitung und Betreuung. Das eigene Heim wird zu einer gut ausgestatteten „Intensivstation mit Monitoring“, Grubauers Patient*innen sind zwischen einem halben Jahr und 90 Jahre alt. In vielen Fällen ist es das Ziel, sie mit der Zeit von der Beatmung zu entwöhnen, so Grubauer. Freilich nur, solange dies die Grunderkrankung erlaubt. „Wir haben zum Beispiel Kinder, die wir täglich in den Kindergarten oder in die Schule begleiten. Und einige schaffen das mit der Zeit dann ohne Beatmung.“ Das sei jedes Mal wieder ein besonders berührender Moment.
Heimbeatmung ist nicht nur eine wirksame, zukunftsweisende Form der Patient*innenbetreuung und -pflege, die den Menschen eine besondere Lebensqualität ermöglicht, sondern sie entlastet auch die Intensivstationen in unseren Krankenhäusern enorm. Und wirkt damit in mehrfacher Hinsicht belebend.
V. HALVAX