Rituale am Sterbebett

Rituale – Soziales Band und Fenster zum Sinn

Rituale begleiten uns unser ganzes Leben lang – sie bieten uns Stabilität und Zusammenhalt in verschiedenen Lebensbereichen wie Familie, Religion und Gesellschaft.

Zum Thema Rituale veranstalteten die Franziskanerprovinz Austria und die Katholisch-Theologische Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz ein zweitägiges Symposium, an dem sich auch die Elisabethinen Graz beteiligt haben. Das Symposium bot die Möglichkeit zu einem offenen interdisziplinären Austausch zwischen Soziologie, Theologie, Religionswissenschaft und Praxis. Die Elisabethinen Graz durften unter dem Titel „An sensiblen Eckpunkten des Lebens die Kraft der Rituale nutzen“ auch einen Workshop gestalten.

Rituale … und warum sie von Bedeutung sind

Rituale können gemeinschaftsstiftend wirken und Orientierung in sozialen Situationen liefern. Sie tragen dazu bei, dass Gruppengefühl und Solidarität gesteigert werden. Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Denn zu Ritualen zählen auch informelle Abläufe wie eine gemeinsame Kaffeepause im Büro, oder sogenannte „Interaktionsrituale“ wie eine förmliche Begrüßung. Ein Ritual zeichnet sich durch die gemeinsame Fokussierung einer Gruppe auf eine Handlung aus, bei der oft starke Emotionen im Spiel sind – zudem werden symbolisch aufgeladene Gegenstände in die gemeinsame Handlung mit eingebunden.

Besondere Lebensübergänge wie zum Beispiel die Einschulung, Matura, Hochzeit und Ähnliches sind oftmals stark rituell aufgeladen. Auch in besonderen Lebensphasen, wie in Krankheit und am Lebensende spielen Rituale eine besondere Rolle. Darüber haben wir mit Mag.a Michaela Höfler-Bauer, Leiterin der Seelsorge im Krankenhaus der Elisabethinen Graz, gesprochen. Sie hat einen Workshop im Zuge des Symposiums gestaltet. Im Gespräch gibt sie uns einen Einblick in die Welt der Rituale in der Krankenhausseelsorge.

Als Seelsorgerin im Krankenhaus, was fällt Ihnen als erstes zum Thema „Rituale“ ein?

MICHAELA HÖFLER-BAUER: Rituale gibt es in der Krankenhausseelsorge viele. Sie können unterschiedlich gestaltet und so individuell sein, wie die Menschen, für die sie gemacht werden. Für mich bietet ein Ritual einen Rahmen für oft unerträgliche, schwere Situationen. Der Tod eines geliebten Menschen zum Beispiel. Ein Ritual umfasst für mich vieles – von einem einfachen Kreuzzeichen bis hin zu einer Angehörigenfeier.

Wie gestalten sich solche Rituale?

MICHAELA HÖFLER-BAUER: Die Menschen, die an einem Ritual teilnehmen, sollen in die Ritualhandlung miteingebunden werden und selbst etwas vollziehen können. Die Anliegen der Personen werden miteingebaut – zum Beispiel in Form vom Lesen einer Fürbitte oder dem Anzünden einer Kerze. Die Elemente und der Aufbau von bestimmten Ritualen sind grundsätzlich immer gleich, aber ein Ritual ist für mich nie etwas „Fertiges“. Man bereitet einige Dinge vor und sieht dann im Laufe des Rituals, was passt, oder nicht passt. Für uns in der Seelsorge gilt es die Übergänge gut zu gestalten, und den Menschen die Möglichkeit zu bieten sich darin wiederzufinden. Wir bieten einen Rahmen und versuchen die Anliegen der Menschen in eine Form zu bringen, sodass sie über das Ritual eine Möglichkeit finden können, mit schwierigen Situationen umzugehen. Außerdem stellen wir in der Seelsorge im Zuge eines Rituals einen Bezug zur Transzendenz her. Ein Ritual ist aus meiner Sicht etwas, das hinausweist und das Leben in den christlichen Horizont deutet. Dabei ist es gleichzeitig aber auch wichtig, dass Menschen sich mit den Handlungen in einem Ritual auch identifizieren können. Dazu werden bekannte Elemente in die Rituale miteingebracht, wie beispielsweise das Anzünden einer Kerze.

Welche Rituale gibt es in der Krankenhausseelsorge?

MICHAELA HÖFLER-BAUER: Krankensalbungen zum Beispiel, dabei wird der Kranke mit einem vom Bischof geweihten Öl bezeichnet und für den Kranken gebetet. Auch andere Kulturen und Konfessionen können ihre Rituale bei uns im Krankenhaus durchführen – wir sorgen dafür, dass Menschen, die nicht katholisch sind, ihre Rituale durchführen können. Etwas Besonderes ist natürlich auch ein Abschiedsritual von Verstorbenen. Die Kolleg*innen in der Pflege bereiten den*die Verstorbene*n, also den Leichnam, dafür vor, man stellt eine Kerze dazu und hüllt den*die Verstorbene* n in ein Verabschiedungstuch. Bei den Abschiedsritualen wird immer individuell auf die Situation und die Menschen eingegangen. Wenn sich Familien und Angehörige von ihren Verstorbenen verabschieden und in letzter Sekunde noch ein Lieblingslied einfällt, dann wird das zum Beispiel in die Verabschiedungsfeier miteingebaut. Rituale in der Krankenhaus- Seelsorge müssen sich nicht nur auf die Patient*innen beziehen – da geht es auch um die Mitarbeiter*innen. Ich denke da beispielsweise an die Speisensegnung zu Ostern oder an das Segnen von Adventkränzen, die dann auf die Stationen kommen. Ein anderes Beispiel wäre die jährliche Erinnerungsfeier, die zum Andenken an die Verstorbenen der Palliativstation und des Hospizes veranstaltet wird – die ist für das Personal genauso wichtig. Durch die Rituale, die wir gestalten, können wir Kraft und Sicherheit gewinnen, oder zumindest einen stabilen Rahmen bieten, um Situationen „begehen“ zu können.

A. LEEB

Definition „Ritual“

Ein Ritual (von lateinisch ritualis ‚den Ritus betreffend‘, rituell) ist eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt. (Definition Duden)