Begleiten in schwierigen Zeiten
Begleiten in schwierigen Zeiten
Welche Chancen bietet Seelsorge für die eigene Gesundheit?
Manchmal gleicht das Leben eher einem Sturm denn einem glatten Meer. In solchen Zeiten wünschen sich Menschen, Halt zu finden, durchzuatmen, eine wärmende Hand zu spüren. Die Seelsorge kann hier zu einer Kraftquelle werden, indem sie Raum gibt und Räume öffnet.
„ES HAT MIR GUT GETAN.“ Diese Aussage hört Sr. Rita Kitzmüller, Leiterin der Krankenhausseelsorge im Ordensklinikum Linz Elisabethinen, oft nach einem Gespräch. Gerade in anspruchsvollen Lebensphasen, etwa durch besondere psychische Belastungen oder durch Krankheit, ändern sich die Bedürfnisse vieler Menschen. Sie haben den Wunsch, ihr Leben zu reflektieren, einen tieferen Sinn zu suchen, Orientierung zu finden. Häufig fühlen sie sich bei ihrer Suche und mit ihren Fragen alleine. Fragen wie „Wohin verändert sich mein Leben gerade jetzt?“, „Wo sind meine Ressourcen?“, „Woher nehme ich Kraft?“. Die Aufgabe unserer Seelsorge ist es, Menschen in genau diesen Phasen zu begleiten.
„Herzerwärmend“
Seelsorge bedeutet für unsere Seelsorger*innen ein uneingeschränktes Da-Sein für den Menschen, ein aufmerksames Wahrnehmen und Zuhören, ein Annehmen dessen, was ist, auch ein Annehmen der Person, wie sie ist, jetzt in diesem Moment, verletzlich und vielleicht verunsichert. Gemeinsam nach Antworten zu suchen, ist ebenfalls Teil der Seelsorge, obwohl es nicht auf alles Antworten gibt. In diesem Sinne ermächtigt Seelsorge auch zur Fähigkeit, manches offen zu lassen sowie die Unplanbarkeit des Lebens zu akzeptieren. „Seelsorge bietet die Möglichkeit, Dinge anzusprechen, die im Moment wichtig sind, und allen Themen und Gefühlen einen Raum zu geben“, sagt Mag.a Michaela Höfler-Bauer, Seelsorge-Leiterin im Krankenhaus der Elisabethinen Graz.
In einem Seelsorge-Gespräch hat alles Platz: Sorgen, Ängste, Wünsche, Gedanken zur Zukunft und über die Vergangenheit.
Es geht nicht um fertige Lösungen, vielmehr um Reden, Fühlen, Sich-Orientieren, um ein Ankern. „Herzerwärmend“, so fasste eine Patientin ihr Seelsorge-Gespräch zusammen.
Seelsorge und Spiritualität als Teile der Gesundheit
Gesundheit ist kein endgültiger Zustand, sondern ein lebenslanger Entwicklungsprozess. Einer, der sich täglich ändert und ein ständiges Zusammenspiel der Seele-Geist-Körper-Einheit ist. Insofern ist Seelsorge ein Teil der Gesundheit. Sie verändert diesen Prozess. Nach einem Gespräch ist man nicht mehr am selben Punkt wie zuvor. Sie bietet zudem Zugang zur Spiritualität, die ebenfalls Teil einer ganzheitlich betrachteten Gesundheit ist. „Viele unserer Patientinnen und Patienten haben eine große Sehnsucht nach Spiritualität. Sie suchen die Verbindung zu Gott, zu einem höheren Wesen, zu Transzendenz, und möchten sich auch mit dieser Quelle verbinden“, sagt die Leiterin der Seelsorge am Franziskus Spital in Wien, Dipl.-Religionspäd. (FH) Anna Köck.
Ein Angebot für alle
Spiritualität aber ist nicht an den christlichen Glauben gebunden, auch das Seelsorge-Gespräch nicht. Das ist durchaus ein Vorurteil und stellt manchmal eine Hemmschwelle dar. „Wir denken Seelsorge sehr weit und sind für Menschen aller religiösen Überzeugungen da. Es geht ausschließlich um die Bedürfnisse des Einzelnen“, so Anna Köck. Vom Glauben wird dann gesprochen, wenn jemand ihn von sich aus anspricht. Oft hören unsere Seelsorger*innen: „Ich bin ja nicht so katholisch ...“, dann entwickelt sich oft ein spannendes Gespräch über persönliche Glaubenserfahrungen und Erlebnisse mit der Kirche. Sehr wohl aber sind sie selbst in ihrem Glauben verwurzelt und mit ihm verbunden, was als eine besondere Stärke unserer Krankenhaus-Seelsorge zu sehen ist. Nicht zuletzt aufgrund der lebensbejahenden und positiven Haltung der zu den Elisabethinen gehörenden Ordensspiritualität im Geiste des Hl. Franziskus und der Hl. Elisabeth. In der Begegnung mit einem Glaubenden kommen viele in Kontakt mit ihrer eigenen Quelle und finden ihre ganz persönliche Antwort.
Jede*r kann einmal aus der Balance kommen
Noch ein Vorurteil soll hier kurz angesprochen werden. Eines, das sich ebenfalls hartnäckig hält. Am besten zeigt es sich in der Frage, die immer wieder einmal gestellt wird, wenn ein*e Seelsorger*in das Krankenzimmer betritt: „Wird es schon zum Sterben?“ Nein! Seelsorge ist ein Angebot für alle Patient* innen, für alle Krankheiten und Lebenskrisen Angehörige und Mitarbeiter* innen nutzen die Chance der Seelsorge ebenso. „Bei Seelsorge geht es um ein Beziehungs-Angebot. Wir möchten die Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten“, sagt Michaela Höfler-Bauer. Ein Gespräch tut immer gut. Dazu braucht es keinen „großen“ Anlass. Wir Menschen sind unterschiedlich. Und auch ein einzelner Mensch ist in den verschiedenen Lebensphasen nicht immer der gleiche. Manchmal stürzt uns schon eine dunkle Wolke in ein Ungleichgewicht, manchmal erst ein stürmisches Gewitter. Die Balance wieder zu finden, darum geht es, im Leben und auch in der Seelsorge.
„Seelsorge steht auf den drei Säulen: Kommunizieren, Begleiten und Segnen. So wie jeder Mensch einzigartig ist, jede Krise, jede Lebensphase, so unterschiedlich sind auch die Chancen, die ein Seelsorge-Gespräch eröffnet.“
SR. RITA KITZMÜLLER
LEITERIN SEELSORGE LINZ
Die Seele nähren
Was kann helfen, wenn Menschen spüren, dass ihnen ihr inneres Gleichgewicht fehlt? „Zum Beispiel Nahrung für die Seele zu suchen“, so Sr. Rita, „die Natur, ein schönes Buch, ein Gebet oder gute Musik.“ Oft bietet ein Seelsorge-Gespräch hier neue Impulse. Schon das Gespräch an sich nährt die Seele. Es kann vieles bewirken: Entlastung, Zuversicht, Orientierung, Reflexion, ein Zu-sich-Kommen oder Seelentrost.
„Wir alle kennen seelische Not. Oft tut es dann einfach gut, einmal nichts machen zu müssen. Einfach nur reden zu können, gehört zu werden, Fragen zu stellen.“
ANNA KÖCK
LEITERIN SEELSORGE WIEN
„Gerade in einem Krankenhaus bedeutet Seelsorge auch eine Auszeit vom Krank-Sein. Da geht es wieder um mich als ganzen Menschen, nicht nur um mich als kranke Person.“
MICHAELA HÖFLER-BAUER
LEITERIN SEELSORGE GRAZ
Das Wort „Sorge“ entspringt auch dem indogermanischen Stamm „suergh“, das so viel bedeutet wie „sich um etwas kümmern“. Sich um seine Seele zu sorgen, bedeutet daher, sich um seine Seele zu kümmern, achtsam und wertschätzend. Etwas, dem man sich zuwendet, kann sich verändern, alleine schon durch den Moment des Zuwendens. Es verwandelt sich in seiner Qualität und in der Art, wie es wahrgenommen und erlebt wird. Die Seelsorge ist ein solches Zuwenden. Seiner Seele, seinem Geist und seinem Körper. Und damit auch eine Chance, ganzheitlich heil zu werden.
Die Seelsorge ist für viele eine Brücke zu den eigenen Kraftquellen.
V. HALVAX
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