Das neue Alt
Das neue Alt
Was so neu sein soll am Alter? Ganz schön vieles, wenn man die heutige ältere Generation mit früheren vergleicht.
Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur ist in vielen politischen Diskussionen ein Thema. Immer wieder hören wir, dass unsere Bevölkerung überaltert und dass das unsere Gesellschaft, unser Gesundheits- und Sozialsystem, aber auch die Politik und die Wirtschaft vor Herausforderungen stellt, die teilweise noch schwer vorstellbar seien. Aber ein höheres Lebensalter ist zu allererst für den betroffenen Menschen und die nächsten Angehörigen eine Freude und eine Herausforderung zugleich. Und Altern ist nicht gleich Altern. Es gibt verschiedene Phasen des Alterns und auch verschiedene persönliche Herangehensweisen an dieses Thema. Eines ist aber sicher: Der alte Mensch ist heute und in Zukunft nicht mehr der gleiche wie vor einigen Jahrzehnten. Grund genug, uns mit dem neuen Alt in dieser Ausgabe unseres Magazins zu beschäftigen.
„Mit dem Altwerden ist es wie mit auf einen Berg steigen: Je höher man steigt, desto mehr schwinden die Kräfte – aber umso weiter sieht man!“
Ingmar Bergman
Das Marketing hat sie schon lange als wichtige Zielgruppe entdeckt: die älteren Menschen in unserer Bevölkerung. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehören in diese Altersgruppe Menschen zwischen 61 und 75 Jahren. Sie befinden sich also am Ende ihres Erwerbslebens oder haben dieses bereits abgeschlossen. Sie sind aber zu einem großen Teil immer noch von großen gesundheitlichen Problemen verschont, haben sich oft in ihrem Berufsleben ein mehr oder weniger großes Finanzpolster angelegt und können über ihre Zeit frei verfügen. Somit stellen sie einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar.
Österreich wächst – vor allem in der älteren Generation
Im Vergleich zu früher ist diese Altersgruppe, aber auch die folgenden Gruppen in der Definition der WHO, deutlich größer und auch deutlich aktiver. Die Veränderungen der Arbeitswelt mit einem Rückgang der schweren körperlichen Arbeit und der Zunahme von Dienstleistungsberufen haben zu dieser Entwicklung ebenso beitragen wie der medizinische Fortschritt. Aber auch die lange Friedenszeit in Europa hat es möglich gemacht, dass mehr Menschen ein höheres Alter erreichen. Die Lebenserwartung eines neugeborenen Kindes in Österreich liegt derzeit bei rund 81 Jahren. Anfang der 1970er-Jahre lag die Lebenserwartung hingegen noch bei knapp über 70 Jahren. Und diese Entwicklung wird sich laut Prognosen weiter fortsetzen.
„Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben zu geben."
Alexis Carrel
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Alterspyramide in unserem Land. Derzeit leben in Österreich ungefähr 1,6 Mio. Menschen, die auf 65 Jahre und mehr zurückblicken können, was einem Anteil von knapp 19 % an der Gesamtbevölkerung entspricht. Im Jahr 2050 werden bereits mehr als 27 % der Bevölkerung oder 2,6 Mio. Österreicherinnen und Österreicher in diese Altersgruppe fallen. Die Anzahl der Mensch im Erwerbsalter zwischen 20 und 65 Jahren wird sich bis 2050 hingegen leicht verringern.
Von den Zahlen zurück zum Leben. Wir wollen verschiedene Aspekte des neuen Alt etwas näher beleuchten:
Wie wohnen ältere Menschen?
Ältere Menschen sind heute lange Zeit viel aktiver und selbstbestimmter als in früheren Jahren. Wenn dann mit dem höheren Alter auch die Gebrechen des Alters sich einstellen, wollen sie auf ihre Selbstbestimmung zu Recht nicht verzichten. Das muss insbesondere in der Wohnsituation berücksichtigt werden. Nur noch selten ist heutzutage in unserem Land die Großfamilie anzutreffen, in der alle Generationen unter einem Dach leben. Viel häufiger kommt es vor, dass auch ältere Menschen zu zweit oder alleine leben und diese Eigenständigkeit durchaus genießen, solange es geht.
Barrierefreiheit, die eine oder andere Unterstützung im Alltag, Essen auf Rädern, gesellschaftlicher Anschluss im unmittelbaren Umfeld werden Schritt für Schritt aber immer wichtiger. Essenziell ist für die betroffenen Menschen meist, dass sie selber entscheiden können, welche dieser Leistungen sie ab wann in Anspruch nehmen wollen, um sich das richtige Maß an eigenständigem Wohnen und Leben zu erhalten und niemandem zur Last zu fallen. Mittlerweile stehen zahlreiche Einrichtungen zur Verfügung, die genau diese Form des Wohnens für ältere Menschen anbieten – Betreutes Wohnen, Wohnen mit Service, Betreubares Wohnen oder ähnliche Bezeichnungen werden dafür verwendet. Auch bei den Elisabethinen in Graz (http://www.elisabethinen.at/wohnen/) und bald auch in Linz können Menschen mit individuellen Serviceleistungen wohnen.
„Alternde Menschen sind wie Museen: Nicht auf die Fassade kommt es an, sondern auf die Schätze im Innern."
Jeanne Moreau
Persönliche Unterstützung für ältere Menschen
Zurück zur Großfamilie: Dass die Alten von den Jungen versorgt wurden, war in der traditionellen Großfamilie ganz klar. Wie gut das für die Beteiligten funktioniert hat, steht auf einem anderen Blatt. Sobald die verschiedenen Generationen aber nicht mehr im gleichen Haushalt leben, wird dieses Versorgungsmodell schwieriger. Dennoch spielt die Unterstützung und Versorgung von älteren Menschen durch die eigene Familie nach wie vor eine ganz große Rolle. Oft bräuchten die unterstützenden oder pflegenden Angehörigen selber aber eine Unterstützung. Und die gibt es auch. Stammtische für pflegende Angehörige, Praxistipps von Fachkräften, beispielsweise in der Pflegewerkstatt der Elisabethinen in Linz, oder auch nur Kontaktadressen von Beratungsstellen können in der Bewältigung dieser Aufgabe sehr hilfreich sein.
Aber auch auf dem Gebiet der technischen Unterstützung gibt es viele hilfreiche Entwicklungen. Notrufsender am Arm, über die man bei Bedarf die Rettungsorganisation verständigen kann, sind bereits weit verbreitet. Mittlerweile gibt es aber auch Sturzsensoren, die selbständig erkennen, wenn ein Mensch reglos am Boden der Wohnung liegt und gegebenenfalls automatisch einen Notruf absetzen. Oder Roboter, die sich um die richtige Dosierung der verschriebenen Medikamente zum richtigen Zeitpunkt kümmern.
Aber auch für betreuende Angehörige steht mittlerweile technische Unterstützung zur Verfügung. Über die Webapplikation youtoo.help kann man beispielsweise Unterstützungsleistungen für Angehörige ganz einfach in einem Team koordinieren. Anstehende Aufgaben werden in einen gemeinsamen Plan eingetragen und jedes Teammitglied sieht, wer sich um welche Aufgabe annimmt.
„Das Greisenalter, das alle zu erreichen wünschen, klagen alle an, wenn sie es erreicht haben."
Marcus Tullius Cicero
Bringt das höhere Alter auch schwerere Krankheiten?
Wer länger lebt kann auch spät eine Erkrankung bekommen. So ist es offensichtlich, dass die Häufigkeit mancher Krankheiten heute zunimmt, weil die Menschen ein Alter erleben, in dem diese Krankheiten vermehrt auftreten. „Ältere Patienten haben meistens mehrere Leiden oder Erkrankungen gleichzeitig. Durch die hohe Lebenserwartung werden viele Gebrechen wirksam, die früher nicht zum Tragen gekommen sind“, erklärt Prim. Mag. Dr. Josef Aichinger, Chef der Kardiologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Hinzu kommt die Demenz. „Wir merken aber auch, dass es durch die Zunahme von Menschen mit Demenz schwieriger wird, mit diesen Patienten eine Therapie zu besprechen, oder gemeinsam eine Entscheidung über eventuelle Alternativen auszuhandeln“, so Aichinger. Diese Situation stellt alle Betroffenen vor große Herausforderungen – die Angehörigen, das Team im Krankenhaus aber auch betreuende und pflegende Personen in Alten- und Pflegeheimen.
Insbesondere bei Menschen mit Migrationshintergrund kann die Demenz zu einem zusätzlichen Problem führen. „Auch wenn der Großteil der Gastarbeiter gut Deutsch spricht, kann es in der Demenz passieren, dass sie ihre Zweitsprache vergessen. Wir haben dann demenzkranke Menschen, die nur noch ihre Erstsprache sprechen, weil sie die deutsche Sprache krankheitsbedingt vergessen haben“, erklärte beispielsweise Sonja Schiff, DGKS und Gerontologin beim Symposium „Das neue Alt“ vor zwei Jahren. Auch darauf müssen wir uns einstellen, mit Sprachkursen für Pflegekräfte oder auch durch mehr Pflegekräfte mit Migrationshintergrund.
„Ich bin stolz auf die Falten. Sie sind das Leben in meinem Gesicht."
Brigitte Bardot
Das neue Alt – Chance und Herausforderung
Die Veränderung des Alters ist definitiv bei uns angekommen. Sie eröffnet den älteren Menschen und der Gesellschaft insgesamt neue Möglichkeiten, stellt sie aber auch vor neue Probleme. Lösungsansätze gibt es viele. Im Wesentlichen wird es aber darauf ankommen, wie wir als direkt oder indirekt Betroffene damit umgehen.
M. ETLINGER
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