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Online: gemeinsam oder einsam?

Online: gemeinsam oder einsam?

Die Pandemie hat unsere Gesellschaft in vielen Bereichen verändert und einige Prozesse massiv beschleunigt, etwa jenen der Digitalisierung. Von einem Tag auf den anderen war vieles online: Besprechungen, Aus- und Weiterbildung, private Workshops, die tägliche Kommunikation. Manche Formate haben sich bis heute gehalten. Bleibt die Frage, ob das gut oder schlecht ist.

DAS INTERNET und hier vor allem die sozialen Medien standen lange Zeit unter dem „Generalverdacht“, potentiell schädlich im sozialen Sinne zu sein. Mittlerweile gibt es Studien aus den USA und Deutschland, die das Gegenteil behaupten: Wer im Internet fleißig soziale Netzwerke knüpft und pflegt, ist auch im „echten Leben“ sozialer. Pauschal also lässt sich dieses Thema nicht betrachten, schon gar nicht über alle Altersgruppen hinweg, man muss es differenzierter sehen. Ähnliches gilt für die neuen Online-Formate.

Das sieht auch Erika Zechner so, Klinische- und Gesundheitspsychologin bei den Elisabethinen Graz. Da spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle, etwa Alter, Verhältnis von „echten“ zu Online-Kontakten, Format der Veranstaltung und schließlich auch die Definition von Einsamkeit. Elisabeth Kuntschke, stellvertretende Pflegedirektorin Franziskus Spital Wien, die sich mit dem Thema ebenfalls auseinandergesetzt hat, sieht Einsamkeit als ein Gefühl, das der Mensch nicht freiwillig wählt, oft im Gegensatz zum Alleinsein, und als ein subjektives Erleben seiner sozialen Kontakte, also, wie man sich selbst in Beziehungen erlebt und wahrnimmt. Insofern habe Einsamkeit auch nichts mit der An- oder Abwesenheit von anderen Menschen zu tun, sondern eher damit, wie beachtet und wertgeschätzt man sich fühlt. Daher kann man sich bei einer Live-Veranstaltung mit hunderten Menschen durchaus einsam fühlen, erlebt aber im Gegenzug bei einer Online-Veranstaltung schöne Momente, wenn der*die Moderator*in eine*n ins Boot holt und aktiv miteinbezieht.

"Einsamkeit hat nichts mit der An- und Abwesenheit von Menschen zu tun, sondern eher damit, wie geachtet und wertgeschätzt man sich fühlt. Und das geht auch online.“

Elisabeth Kuntschke, MBA
Stv. Pflegedirektorin
Franziskus Spital Wien

Aktive Teilnahme an Gemeinschaft ist gesund

In seinem Buch „Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit“ schreibt der renommierte Gehirnforscher Manfred Spitzer dazu: „Nichts ist gesünder im Sinne der Verlängerung des eigenen Lebens als die aktive Teilnahme an der Gemeinschaft mit anderen.“ Und die digitale Teilnahme ist eine Teilnahme. Gerade zu Beginn der Pandemie, als viele Menschen tatsächlich von der Gemeinschaft isoliert waren, war das Internet mit seinen Möglichkeiten ein rettendes Werkzeug, um in Kontakt zu bleiben. Und es war auch der erfolgreiche Versuch, das Leben trotz aller Einschränkungen so „normal“ wie möglich weiterlaufen zu lassen. Ob Ausbildung, Yoga, Besprechungen – online wurde vieles wieder möglich. Auch die drei Standorte der Elisabethinen wollten in diesen herausfordernden Zeiten ein verlässlicher Partner bleiben und wichtige Angebote weiterhin zur Verfügung stellen, Vorträge etwa oder Schulungen für Mitarbeiter*innen oder Gedenkgottesdienste (siehe dazu Artikel auf S. 20). Während der Lockdowns waren solche Online-Veranstaltungen ein echter Gewinn.

„Für manche, die kaum mobil sind und vielleicht auch noch alleine leben, eröffnet das wirklich neue Welten.“

Mag.a Erika Zechner
Klinische- und Gesundheitspsychologin
in der Akutgeriatrie Graz

Besser gemeinsam online als einsam offline

Aber wie sieht es aus, wenn die Pandemie vorbei ist, viele Angebote aber weiterhin online bleiben? Bleibt dann auch der Nutzen bestehen? „Auch wenn Online-Kontakte nicht mit face-to-face-Kontakten vergleichbar sind, weil das Erleben mit allen Sinnen fehlt, das aber tiefer geht und sich auch auf das Lernen positiv auswirkt, würde ich die Frage dennoch bejahen – außer man verschanzt sich ausschließlich hinter dem Bildschirm“, sagt Erika Zechner, „Online hat ja viele Vorteile: es spart Zeit und Geld. Und für manche, die kaum mobil sind und vielleicht auch noch alleine leben, eröffnet das wirklich neue Welten. So können sie wenigstens online aktiv sein und mit anderen eine Gemeinschaft bilden. Insofern sind sogenannte Hybrid-Veranstaltungen, also wahlweise Präsenz oder online, eine gute Errungenschaft: Jede und jeder kann selbst entscheiden, wie er*sie teilnimmt.“

Technisches Verständnis ist Voraussetzung

Als eine Hürde, speziell für über 75-Jährige, stellt sich die Technik dar. Vielen fehlt schlicht das Basiswissen zu den neuen Technologien. Zechner, die auf der Abteilung für Akutgeriatrie und Remobilisation in Graz arbeitet und derzeit zusätzlich die Ausbildung zur Gerontopsychologin macht, sagt dazu: „Diese Gruppe ist sehr heterogen. Manche nutzen bereits ein Smartphone, haben auch WhatsApp oder Skype probiert. Andere dagegen haben keinerlei Erfahrungen.“ Hier gelte es zunächst, technisch aufzuschließen (siehe Kasten). Sofern es in unseren Häusern möglich ist, bieten wir Patient*innen in persönlichen Gesprächen entsprechende Unterstützung. „In jedem Fall aber bemühen wir uns, die Hemmschwelle zu Online-Veranstaltungen so niedrig wie möglich zu halten“, sagen sowohl Erika Zechner als auch Elisabeth Kuntschke. Auf der Facebook-Seite der Elisabethinen Linz-Wien oder Graz etwa wird man über Termine informiert und kann gleich am Handy/Laptop/Tablet dabei sein, indem man einfach den Link anklickt. „Neugierig bleiben, offen für Neues – wenn man das schafft, unabhängig vom Alter, wird man sich eher der Gesellschaft zugehörig fühlen und somit weniger einsam“, sagt Erika Zechner. Ein schönes Resümee.

V. Halvax

Technik-Hilfe für Senior*innen

Die Bereitschaft ist da, aber das Wissen fehlt? Am besten ist es freilich, sich die ersten Schritte im Internet persönlich von jemanden zeigen zu lassen. Wenn das Basiswissen vorhanden ist, kann man bei konkreten Fragen im Netz fündig werden.

Zwei hilfreiche Seiten sind außerdem:
www.senioren-online.info
www.saferinternet.at​​​​​​​

In Deutschland gibt es mehr Angebote, die meisten allerdings gegen eine geringe Gebühr. Dafür wird man persönlich Schritt für Schritt beraten.


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