gut an(ge)kommen
Seit der Gründung der Elisabethinen vor 400 Jahren bis heute
Eine Reise ist fast immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. „Bist du gut angekommen?“, fragen wir unsere Lieben via Telefon, wenn sie eine längere Distanz hinter sich gebracht haben und freuen uns über eine positive Antwort. Ankommen hat aber nicht immer etwas mit einer Reise im geografischen Sinn zu tun. Dennoch geht es darum, nach einem Aufbruch an einen anderen Ort zu gelangen und dort gute Aufnahme zu finden.
WENN WIR AN EIN ANKOMMEN denken, weckt das meist angenehme Gefühle in uns. Wir denken an die Ankunft am Ziel einer langen, anstrengenden Autofahrt, an das Nachhausekommen, das Ankommen bei Freunden und Verwandten, bei denen man eingeladen ist, oder vielleicht auch an ein lange ersehntes Päckchen, das per Post oder Kurierdienst endlich ankommt. Gerade im Advent kommt vielen sicherlich auch der Gedanke an die Weihnachtsgeschichte, an die Ankunft von Jesus als Kind in der Krippe in den Sinn.
Die wohl bekannteste Geschichte vom Ankommen
Ankommen kann aber auch ganz anders erlebt werden, mit dem Gefühl von Ungewissheit, mit Sorge und Angst. Vielleicht herrschten diese Gefühle sogar bei Maria und Josef in der Weihnachtsgeschichte vor, als sie in Bethlehem ankamen und „in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7). Sie waren fremd und nicht willkommen, weil schon viel zu viele Fremde in der Stadt waren – so könnte man diese Erzählung- deuten. Kommt Ihnen das bekannt vor? Hören und lesen wir so ähnliche Aussagen heute nicht auch fast täglich in den Medien, in Sozialen Netzwerken oder am Stammtisch?
Bei meiner Recherche für diesen Artikel suchte ich in einer bekannten Suchmaschine nach „ankommen“. Als eines der ersten Suchergebnisse tauchte die „Ankommen App“ auf meinem Bildschirm auf. Es handelt sich dabei um eine Smartphone-App des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die als Wegbegleiter für Menschen gedacht ist, die neu nach Deutschland kommen. „Leben in Deutschland“ ist einer der Hauptmenüpunkte in dieser App und auf der dazugehörigen Website ankommenapp.de stieß ich auf Aussagen von Menschen, die ihr Ankommen in unserem Nachbarland in kurzen persönlichen Erlebnissen dokumentieren. Da wurde mir wieder einmal klar, wie vieles, das für uns ganz selbstverständlich ist, für neu ankommende Menschen irritierend und verstörend sein kann.
Ankommen muss man wollen und dürfen
Um gut ankommen zu können, brauchen wir Menschen also Voraussetzungen auf zwei Seiten – die Offenheit auf Seiten der Ankommenden, sich mit dem Neuen anzufreunden und eine ehrliche Willkommenskultur des aufnehmenden Umfelds auf der anderen Seite. Jemanden oder etwas Neues wirklich willkommen zu heißen, ist aber gar nicht so selbstverständlich. Schließlich ist dieses Ankommen für das Umfeld meist auch mit Veränderungen verbunden. Ich muss mich auf eine neue Situation, auf neue Menschen einstellen und damit vielleicht Liebgewordenes aufgeben. Die Elisabethinen in Österreich stellten das immer wieder fest, wenn sie ihre Idee der Versorgung von armen und kranken Menschen in eine neue Stadt bringen wollten. Zuerst in Graz, dann in Wien, in Klagenfurt und schließlich auch in Linz. Sie wurden keineswegs mit offenen Armen und breiter Unterstützung begrüßt. Vielmehr brachte man ihnen Ablehnung und Argwohn entgegen, und die Anerkennung ihrer Leistungen erfolgte erst viel später, als sie sich mühsam etabliert hatten.
Heute sind die Elisabethinen tatsächlich gut an ihren Wirkungsorten angekommen und sie wollen das Ankommen in ihren Betrieben und Einrichtungen mit den eingangs erwähnten positiven Gefühlen besetzen. Ankommen kann man bei den Elisabethinen allerdings auf ganz unterschiedliche Weise und mit ganz unterschiedlichen Beweggründen.
Ein erstes Ankommen im Ordensleben
Von der intensivsten und weitreichendsten Form des Ankommens erzählen in dieser Ausgabe unseres Magazins drei Ordensfrauen aus dem Linzer Konvent (s. Seite 8). Die jüngste von ihnen, Sr. Helena Fürst legte im vergangenen Oktober ihre zeitliche Profess ab und setzte damit einen wichtigen Schritt in ihrer Ordensausbildung. Schon einige Jahre zurück liegt bei ihr hingegen das erste Kennenlernen und Ankommen bei den Elisabethinen. Sie nutzte damals die Möglichkeit des Mitlebens im Kloster, bei dem interessierte Frauen erfahren, wie die Elisabethinen leben und ihre Spiritualität erleben können. Bei den Tagen zum Mitleben geht es um einen ganzheitlichen Blick auf das Leben der interessierten Frauen und die ganz persönlichen Fragen des eigenen Lebens- und Glaubensweges. Und vielleicht weckt das Mitleben ja auch den Wunsch zu einem umfassenderen Ankommen, wie bei Sr. Helena und den vielen Ordensfrauen vor ihr.
Willkommen am neuen Arbeitsplatz
Auch der erste Arbeitstag bei einem neuen Arbeitgeber ist ein Ankommen. Freude auf die neue Tätigkeit überwiegt dabei hoffentlich, meist ist aber auch etwas Unsicherheit mit dabei. „Wir gehen gemeinsam mit Ihnen“, sprechen die Elisabethinen ihren Mitarbeiter*innen zu, „auch ungewöhnliche Wege.“ Ungewöhnliche Wege gemeinsam zu gehen, heißt für die Elisabethinen dabei zuallererst, eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen, die sie auf diesem Weg begleiten dürfen. Das erste Ankommen, das Kennenlernen und Eintauchen in die „Welt“ der Elisabethinen spielt dabei eine besondere Rolle. „Zum Glücklichsein braucht es drei Dinge: gebraucht werden, dazugehören und sich weiterentwickeln können. Das möchten wir Elisabethinen unseren Mitarbeiter*innen bieten“, sagt Sr. Barbara Lehner. Deshalb bieten die Ordensfrauen ihren Mitarbeiter*innen immer wieder auch an, in den direkten Austausch zu kommen, z.B. bei Klosterführungen im Konvent in Linz mit anschließendem gemütlichem Beisammensein.
Wege gemeinsam zu gehen, heißt für die Elisabethinen auch, die Mitarbeiter*innen nicht sprichwörtlich über einen Kamm zu scheren. Die Einbindung von Menschen aus anderen Kulturen und Nationen ist dabei sicher eine Herausforderung, die in einigen Betrieben jedoch sehr gut gemeistert wird. Beim Reinigungsunternehmen sauber & partner sind beispielsweise Menschen aus über 30 Nationen beschäftigt. Sie gestalteten im Vorjahr ein Kochbuch mit dem Titel „Ausflug in die Vielfalt“ und bezeichnen Vielfalt darin als Herausforderung, aber auch als Geschenk. Rezepte aus 20 Nationen und Insider-Reisetipps der Menschen aus diesen Nationen machen dieses Kochbuch zu einem wahren Geschenk der Vielfalt.
Die Begegnung mit Menschen
Bei den Elisabethinen kommen die meisten Menschen aber nur mehr oder weniger flüchtig an. Sie kommen als Patient*in in eines der Krankenhäuser, nutzen eines der vielfältigen Gesundheitsangebote in Graz, Linz oder Wien, sind zu Gast in einem der Cafés oder leben als Bewohner*in bei den Elisabethinen. Oft ist der erste Kontakt für diese Menschen von einer Ausnahmesituation geprägt. Sie sind krank und suchen professionelle Hilfe. Neben dieser fachlichen Unterstützung ist es aber vor allem die Qualität der Begegnung, die ihnen ein echtes Ankommen ermöglicht. „Wir müssen die Menschen froh machen“, sagte schon die hl. Elisabeth vor mehr als 800 Jahren. Und diese Erkenntnis ist für die Elisabethinen und ihre Mitarbeiter*innen immer noch die Richtschnur. Eine ganz besondere Situation stellt das Ankommen im stationären Hospiz dar. Hier finden Menschen, die in der letzten Phase einer unheilbaren tödlichen Krankheit sind, ihr letztes Zuhause (s. Seite 26). Und für manche, insbesondere im VinziDorf Hospiz für Obdachlose, ist es gleichzeitig das erste wirkliche Zuhause seit langer Zeit. Besonders behutsam und mit viel Lebensfreude werden diese Menschen in den Hospizeinrichtungen der Elisabethinen willkommen geheißen, damit ihnen das Ankommen so leicht wie möglich gemacht werden kann.
Vom Aufbruch zum Ankommen
Ankommen – ein kleines Wort, das viele verschiedene Erinnerungen, Gedanken und Gefühle wecken kann. Und immer ist es auch mit einem Aufbruch verbunden, den es braucht, um an einem neuen Ort, in einer neuen Umgebung ankommen zu können.
M. ETLINGER