Religionen im Spital
Persönliche Gedanken von Anna Köck, Seelsorgerin im Franziskus Spital
Begonnen hat alles mit dem neu errichteten mulitreligiösen „Raum der Stille“ und seiner Eröffnungsfeier, zu der die Vertreter*innen aller fünf großen Weltreligionen persönlich kamen oder ein Grußwort schickten. In weiterer Folge- fanden Veranstaltungen statt, die jeweils eine Religion und ihren Bezug zum Thema Krankheit zum Inhalt hatten. Ich möchte aus den Veranstaltungen einige Gedanken herausgreifen, die spannend, irritierend, überraschend oder auch berührend waren und mich zum Nachdenken brachten.
Islam – Geduld im Leid
Den Auftakt der Reihe gestaltet Dr. Tibor Altenberger, der über die Sichtweise des Islam auf Krankheit und mögliche religiöse Bedürfnisse von muslimischen Patient*innen sprach. Vom islamischen Standpunkt aus gesehen ist die eigentliche Krankheit die fehlende Beziehung zu Gott oder Gottesferne. Eine zentrale Rolle spielt das Herz des Menschen, nicht das Herz als Muskel, sondern das metaphysische, das spirituelle Herz. Der Referent zitierte sogar den Kirchenlehrer Augustinus mit „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in DIR“, um zu verdeutlichen, was das spirituelle Herz im Islam meint. In Krankheit und Leid soll der gläubige Muslim geduldig sein und nicht mit seinem Schicksal hadern. Bediüzzamn prägte den bedenkenswerten Spruch: „Körperliche Unglücke wachsen, wenn sie als groß gesehen werden und schrumpfen, wenn man sie als klein ansieht“ (Bediüzzaman S.46,47). Bezüglich des Todes glauben Muslime, dass Gott den Zeitpunkt des Todes für jeden Menschen festgelegt hat, eine Überzeugung, die mir in Gesprächen mit muslimischen Patient*innen immer wieder begegnet.
Buddhismus – Gesetz des Karma
Als Vertreterin des Buddhismus war Mag.a Swan Cooper bei uns. Buddhistische Praxis ist Arbeiten mit dem Geist bzw. dem Bewusstsein. Liebe, Güte und Mitgefühl mit allen Lebewesen sollen eingeübt werden. Viele Krankheiten sind bedingt durch in diesem oder einem früheren Leben gesetzte unheilsame Handlungen. Gemäß dem Gesetz des Karma stellen sie keine Strafe dar, sondern sind lediglich zur Reife gekommene Wirkung dieser früheren Ursachen. Zum Sterben werden von buddhistischen Praktizierenden bestimmte Körperpositionen bevorzugt. Auf Wunsch soll der*die Sterbende in die rechte Seitenlage oder den Meditationssitz gebettet werden. Dabei soll dem sterbenden Menschen aus Sicht des Buddhismus nicht die Hand gehalten werden, damit er*sie leichter gehen kann und nicht hier festgehalten wird.
Judentum – Alltagsleben und Sabbat
Als Vertreter der israelischen Kultusgemeinde durfte ich Oberrabbiner Jaron Engelmayer begrüßen. Großes Interesse gab es daran, wie der Alltag und vor allem der Sabbat gelebt und gefeiert wird, welche modernen technischen Lösungen man dafür gefunden hat, dass man z.B. am Sabbat das Licht nicht aufdrehen darf. Fremd und doch faszinierend klang diese Lebensform für mich, obwohl ja „mein“ Religionsstifter, Jesus, auch ein Jude war, der selbst diese Sabbatkultur gelebt hat. Zum Schluss kam ich noch ins Schwitzen, als ich unseren Maulbeerkuchen überreichen wollte und eine Teilnehmerin fragte, ob dieser auch koscher sei. Dabei habe ich gelernt, dass in unserer Küche Hauptspeisen und Süßspeisen räumlich getrennt zubereitet werden, das bedeutet, dass die Milchküche und die Fleischküche im Fall des Kuchens getrennt sind. Ich hatte mir darüber tatsächlich keine Gedanken gemacht, obwohl ich das wusste.
„Besonders freut mich, dass der Raum der Stille wirklich ein multireligiöser Raum geworden ist, in dem die wichtigen Symbole der großen Religionen einen Platz gefunden haben und nicht, wie ich es oft gesehen habe, ein multireligiöser Raum de facto als a-religiöser Raum gestaltet wurde, in dem religiöse Zeichen und Symbole gänzlich fehlen und damit auch Identifikationsmöglichkeiten und ein Zu-Hause-Gefühl schwer entsteht, trotz einer wohlkonzeptionierten Architektur.“
ANNA KÖCK
SEELSORGERIN IM FRANZISKUS SPITAL
Hinduismus – Alles Leben achten
Für den Hinduismus besuchte uns Frau Swami Umapuri. Swami bezeichnet einen hochrangigen Ordenstitel bei den Hindus. Die Vergänglichkeit des Lebens ist stark im Bewusstsein. Alles Leben achten, nicht töten heißt nicht nur Menschen, sondern auch Tiere nicht töten. Besonders berührt hat mich, als eine Frage zur Wiedergeburt gestellt wurde. Ihre Antwort war, sie könne diese Frage noch nicht aus eigener Erkenntnis beantworten. Die offizielle „Lehre“, so hatte ich den Eindruck, bekommt erst dann ihren Wert, wenn sie mir aus Meditation und innerer Einsicht selbst aufgegangen ist. Die Lehre soll zur eigenen Erfahrung, zur eigenen inneren Gewissheit werden und nicht nur ein äußerer Lehrsatz sein, der eben zu glauben ist.
Christentum – Der Tod als Übergang
Zum Christentum stellten sich Pater Rudolf Schaffgotsch und ich den durchaus detaillierten Fragen der Interessierten. Besonders die Jenseitshoffnungen und die Rituale waren von Interesse. Christen haben den Auftrag alles Leiden zu lindern, idealerweise zu beseitigen und gleichzeitig kann die Krankheit und das Leid auch zu einer Erfahrung der Nähe Gottes werden. Obwohl der Tod aus christlicher Sicht der Übergang in unsere eigentliche Bestimmung ist und das Leben in der Einheit mit Gott ist, ist das irdische Leben unendlich kostbar und schützenswert, da Gott selbst Mensch geworden ist in Jesus Christus, dessen Geburt an Weihnachten gefeiert wird. Rückblickend freut mich besonders, dass in dieser Reihe immer wieder Gespräche entstanden sind, in denen Mitarbeitende über ihre Glaubensüberzeugung, ihre Spiritualität oder ihre Fragen sprechen konnten, was im Berufsalltag kaum vorkommt. Ich bin überzeugt, dass es gerade für ein Ordensspital, wie wir es sind, gut und wichtig ist, Räume dafür zu schaffen, in denen Spiritualität und Glaube auf unterschiedliche Weise thematisiert werden können und Mitarbeiter*innen in Kontakt mit ihren Quellen kommen können.
A. KÖCK
https://www.franziskusspital.at/patienten_margareten/service-margareten